Kolumne: Das Märchen von der neuen Bürger-Macht

16. März 2011

Wie haben wir uns gefreut über die neue, breite Bürgerbewegung. Gucci-Handtaschen marschieren vor dem Kanzleramt auf, Nadelstreifenträger ketten sich an Bahnschienen. Seit dieser Woche wissen wir: Das alles bleibt Folklore. Der Atom-Schwenk der Kanzlerin offenbart auch die Machtlosigkeit von Bürgerprotesten.

Demoskopisch klar belegte Mehrheiten gegen die Atomkraft haben die Regierung ebenso wenig vom Atom-Kurs abgebracht wie eine bisher ungekannte Form der bürgerschaftlichen Unmutsbekundung. Es brauchte den Super-GAU in direkter Verbindung mit einer Handvoll drohender Wahltermine.

So grausam es klingt für das bürgerbewegte, engagierte Deutschland: Der Gang auf die Straße und die Facebook-Kampagne bewegen Politik gegenwärtig maximal so stark wie ein mittelgroßer Faschingsumzug. Und alle, die geglaubt haben, nach den Wutbürger-Mutbürger-Erlebnissen des vergangenen Jahres habe sich eine andere Sprache zwischen Volk und Politik etabliert, müssen das als Wunschdenken abhaken.

Bürgerprotest ist eine Kultur – nützlich, weil Identifikation stiftend. Die harte Währung bleiben Wählerstimmen.

Uwe Amrhein ist Herausgeber von Enter.

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