Helden und Hürden – wie Bürger das Leben auf dem Land neu erfinden

15. Januar 2015

Was tun angesichts weniger Einwohner in ländlichen Regionen und einer ausgedünnten Versorgung? Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung sowie der Generali Zukunftsfonds haben für ihre Studie „Von Hürden und Helden“ viele Bürger und Kommunen ausfindig gemacht, die ganz ungewöhnliche Wege gehen, um das Leben auf dem Land attraktiver zu machen – wenn da nur nicht die vielen Hürden wären.

Können sich die Metropolen über üppige Zuzüge freuen, bedeutet demografischer Wandel in der ländlichen Peripherie vor allem eines: sinkende Einwohnerzahlen und eine Versorgung, in der immer größere Lücken klaffen. Kein Wunder, denn weniger Bürger heißt auch weniger Konsum, weniger Steuern und kommunale Gebühren. Erst macht die letzte Gaststätte dicht, dann der Bäcker und Friseur, schließlich fährt der Bus nur noch zwei Mal am Tag, für die Großmutter findet sich kein Pflegedienst mehr, und auch die Freiwillige Feuerwehr hat zuwenig Mann für den Ernstfall. Damit ist bereits die Abwärtsspirale in vollem Gang: Je weniger Versorgung, desto unattraktiver ist die Region und desto mehr Menschen kehren ihr den Rücken. Das ist die Ausgangslage der Studie „Von Hürden und Helden“, die das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung zusammen mit dem Generali Zukunftsfonds am 14. Januar 2015 in Berlin vorgestellt hat.

Studie Helden und Huerden

 

Interessant wird es im folgenden Teil der Studie, in dem es um die Bürger, Kommunen und Unternehmen geht, die sich dem Abwärtstrend entgegenstellen. Überall in Deutschland gibt es engagierte Bürger, die (im besten Fall) zusammen mit Politik und Verwaltung sowie kommunalen Unternehmen kreative Ideen entwickeln und umsetzen: In der Uckermark bietet Kerstin Finger einen mobilen Zahnarztdienst an und behandelt pflegebedürftige Patienten Zuhause; in der Odenwaldregion sind Privat-Pkw inzwischen Teil eines erweiterten öffentlichen Nahverkehrs und können per App gebucht werden; in Nordfriesland haben sich 60 Gemeinden zusammengetan, um eine schnelle Internetverbindung für alle Bürger anbieten zu können. Insgesamt 37 solcher beispielhaften Projekte stellt die Studie vor.

Doch oft genug muss man sich die Augen reiben, welche vor allem rechtlichen und bürokratischen Steine diesen Vorhaben in den Weg gelegt werden. „Ein Festhalten an starren Auflagen, Gesetzen und Verordnungen und an alten Gewohnheiten behindert häufig den Tatendrang“, fasst Uwe Amrhein, Leiter des Generali Zukunftsfonds, die Studienergebnisse zusammen. Konkret heißt das etwa: Die mobile Zahnärztin muss sich mit einer in die Jahre gekommenen Berufsordnung herumschlagen, um nicht als „umherziehend“ disqualifiziert zu werden. Die Nutzung von Pkws im Rahmen des ÖPNV bedurfte der Gründung einer besonderen Firmenkonstruktion, damit die Kommune überhaupt wirtschaftlich tätig werden konnte. „Was fehlt, sind die nötigen Freiräume und angepassten Förderungen, damit trotz aller Hürden die Landbewohner nicht aufhören, nach neuen Lösungen zu suchen und sich diese auch durchsetzen“, resümiert Dr. Reiner Klingholz, Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.

Daher auch die Empfehlungen der Studien-Macher an aktive Bürger, die sich durchaus auch als Forderung in Richtung Politik & Verwaltung verstehen lassen:

-Geht nicht, gibt’s nicht

-die Grenzen rechtlicher Vorschriften austesten

-ggf. Vorgaben und Standards anpassen

-Gute Beispiele verbreiten

So wie es etwa Heinz Frey mit seinen DORV-Zentren gemacht hat. Inzwischen gibt es 20 solcher dörflichen Treffpunkte in ganz Deutschland, an denen eingekauft und geklönt wird, Postservice und Geldautomat zu finden sind ebenso wie kulturelle Angebote und medizinische Dienstleistungen. Ohne seine ganz eigene Mischung aus Mut, Beharrlichkeit und Humor hätte er seine Idee niemals verwirklichen können. Auf der Präsentation der Studie gab er sich trotz aller Hindernisse optimistisch: „In jeder Kommune, in jedem Landkreis fangen wir praktisch bei Null an. Bisher haben wir es aber noch immer geschafft, die Hürden aus dem Weg zu räumen.“

Kostenloser Download der Studie: http://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/von-huerden-und-helden

Disclosure: Der Generali Zukunftsfonds gehört zu den Förderern der Stiftung Bürgermut, mit der das Enter Magazin kooperiert.

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