Rechtsextreme im Verein – Experteninterview mit Gerd Bücker

13. Februar 2012

Wird die deutsche Vereinslandschaft von Rechtsextremen unterwandert? Was können Vereine gegen braune Vereinsmitglieder unternehmen? Enter sprach mit Gerd Bücker, einem der versiertesten Experten auf dem Gebiet Rechtsextremismus und Vereinssport.

Seit wann beobachten Sie, dass Rechtsextreme in Sportvereine drängen?
Seit gut fünf Jahren beobachten wir bundesweit, dass Personen aus dem rechtsextremen Spektrum in Sportvereinen als einfache Mitglieder oder auch als ehrenamtliche Funktionsträger auftauchen bzw. festgestellt werden.

Dies dürfte durch Aussagen von Führungskadern der NPD oder der DVU befördert worden sein, doch den Sport als ‚Medium für die nationale Bewegung‘ zu nutzen. Beispielsweise Angehörige aus so genannten „Kameradschaften“ mit neonazistischem Hintergrund haben solche Aufforderungen in die Praxis umgesetzt, indem sie an Volks-, City-, Marathonläufen teilgenommen haben. U. a. geschah dies 2007 – 2009 in mehreren Orten Niedersachsens. Die Partei- und Organisationsstrategen haben den Sport als ein Feld erkannt, in dem sie bislang nicht sehr aktiv gewesen waren.

Was halten Sie von der Unterwanderungsthese, d. h., dass Rechtsextreme systematisch die Vereinslandschaft infiltrieren würden?
Dem besagten Aufruf aus der Szene folgten ganz verschiedene Akteure: freie Kräfte, Kameradschaften, NPD-Anhänger. Ich erkenne hier keine Systematik. Der Aufruf hat auch regional ein sehr unterschiedliches Echo gefunden. Wo es beispielsweise bereits Kameradschaftsstrukturen und aktionsorientierte Gruppen gibt, da wird auch stärker versucht, in die Vereine hineinzukommen. Definitiv ist auch in diesem Bereich Rechtsextremismus kein exklusiv ostdeutsches Phänomen.

Gibt es Regionen, die besonders betroffen sind?
Betroffen sind sehr viel stärker die Vereine in der Fläche, weniger diejenigen in großen Städten. Konkrete Beispiele kenne ich aus nahezu sämtlichen Bundesländern. Gerne werden mittelgroße Vereine am Rande einer kleineren Stadt genutzt oder ein Verein, der das einzige Freizeitangebot am Ort für Jugendliche darstellt. Meist geht es da um 2-3 Personen, zum Beispiel einen Trainer und zwei seiner Spieler, die entsprechend agieren.

Und dann gibt es noch das Phänomen, dass Rechtsextreme eigene Sportvereine gründen …
Das sind die so genannten „nationalen Vereine“. Es sind bis jetzt eher Einzelfälle, wenn sich zum Beispiel 20 Personen aus der einschlägigen Szene zusammentun und einen „Verein“ gründen, um z. B. Fußball zu spielen. Diese „Vereine“ werden im Regelfall dann nicht offiziell anerkannt , können nicht Mitglied in einem Landessportbund oder einem Fachverband werden. Aber – der Begriff „Sportverein“ ist nun einmal nicht geschützt …

Was passiert innerhalb eines Vereins, wenn sich ein Mitglied als rechtsextrem herausstellt?
Das ist sehr unterschiedlich, je nachdem, wie der Fall gelagert ist. Das kann der Fußballtrainer, der gleichzeitig für die NPD im Kreistag sitzt, sein oder auch ein A-Jugend-Spieler, der im Vereinsheim lautstark rechten Rock hört. Wir hatten aber auch schon einen Schiedsrichter, der gleichzeitig ein politisches Mandat für die NPD innehat oder den Boxer, der Anhänger einer Kameradschaft ist. Als Berater arbeiten wir grundsätzlich erst einmal nach dem Leitgedanken „integrieren statt aus-grenzen“, wenn dies noch möglich ist. Nach der ersten Analyse, mit wem wir es überhaupt zu tun haben, setzen wir uns mit den Verantwortlichen im Verein zusammen und überlegen gemeinsam, was zu tun ist. Da ist ein breiter Strauß an Maßnahmen denkbar: bei Führungskadern der Szene geht es in der Regel darum, ob und wie sie ausgeschlossen werden können; bei jungen Mitläufern ist zu entscheiden, ob und wie sie in die Sportgemeinschaft zurück geholt werden können.

Wie steht es mit Vereinen, die sich nicht einig über einen Ausschluss sind?
Die gibt es natürlich, wobei ich aber den positiven Trend beobachte, dass in Vorständen zunehmend Einigkeit über Art und Umfang des Vorgehens erzielt werden kann. Für Vereine ist das oft eine schwierige Situation – es geht um das Image, und es geht um Mitgliedschaften, die überlebenswichtig für einen Verein sein können. Häufig haben wir einen Konflikt zwischen Vorstand und der betroffenen Abteilung. Die argumentiert dann, dass sie doch für zahlende Mitglieder sorge. Oder wir haben Fälle, in denen die entsprechend aufgefallenen Spieler oder auch deren Eltern im Verein verwurzelt sind, da fallen Konsequenzen oder eine Distanzierung schwer. Das wird dann u. U. ein längerer Prozess, der manchmal ein ganze Gemeinschaft spalten kann.

Funktioniert die Trennung von Politik und Privatem – nach dem Motto: Politik und Verein hätten nichts miteinander zu tun?
Dies funktioniert nachweislich dann nicht, wenn Vereinsmitglieder gleichzeitig in antidemokratischen Parteien oder Gruppierungen aktiv sind.

Welche Instrumente hat der Verein gegen rechtsextreme Infiltration in der Hand?
Ganz wichtig ist es, eine Vereinssatzung zu haben oder zu verabschieden, die einen Ausschluss oder das Verwehren von Mitgliedschaften ermöglicht. Ansonsten gibt es auch Instrumente wie Hallennutzungs- oder Platzordnungen, die verhindern können, dass sich ungewünschte Gruppen breitmachen.

Die Fragen stellte Henrik Flor

 

 

 

 

Gerd Bücker ist Mitarbeiter beim Landespräventionsrat Niedersachsen im niedersächsischen Justizministerium in Hannover, ehrenamtlicher Beauftragter für den Bereich „Rechtsextremismus und Sport“ des Vorstandes der Deutschen Sportjugend im DOSB sowie ehrenamtlicher Beauftragter der Sportjugend im Landessportbund Niedersachsen für den Bereich „Sport und soziale Arbeit“.

 

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