Das Netzwerk zählt

13. April 2013

Jona Hölderle ist Freiberufler im Bereich Social-Media-Marketing und Online-Fundraising und betreibt unter anderem die Plattform Pluralog, die die Social-Media-Aktivitäten des Nonprofit-Sektors beobachtet. Mit Enter spricht er darüber, was Facebook-Aktivisten von Großorganisationen unterscheidet und wie ein Katastrophenfall zu einmaligen Gemeinschaftserlebnissen führen kann.

Enter: Welche Vorteile bieten soziale Netzwerke in Ausnahmesituationen wie dem Hochwasser?

Hölderle: In Ad-hoc-Situationen muss mit sozialen Netzwerken keine komplett neue Struktur aufgebaut werden. Die Netzwerke existieren sowohl technisch, als auch in sozialen Zusammenhängen bereits und können sofort genutzt werden. Über die persönlichen Verbindungen lässt sich dann schnell eine hohe Reichweite erzeugen.

Enter: Warum hatten die privaten Facebook-Initiativen solchen Zulauf? Sind die Großorganisationen hier nicht gut aufgestellt?

Hölderle: Aus meiner Sicht nehmen die Organisationen und die privaten Initiativen hier unterschiedliche Aufgaben wahr. Das Technische Hilfswerk und die großen Hilfsorganisationen haben auf Facebook auch sehr aktiv kommuniziert und viele Menschen erreicht.

Die meisten Initiativen können besonders schnell lokal wirken. Sie geben Menschen die Möglichkeit, auch direkt selber aktiv zu werden. Da geht es um Nachbarschaftshilfe im besten Sinne: vom Brötchen Vorbeibringen über Umzugshilfe bis zum Sandsäcke Stapeln. Die Großorganisationen greifen hierfür lieber und vielleicht auch effektiver auf eigene Strukturen zurück. Im Optimalfall ergänzen sich beide Ansätze, und vielleicht steht auch mal jemand unnötig im Weg. In jedem Fall führen die vielen privaten Initiativen zu einem enormen Gemeinschaftserlebnis, was eine große Hilfe in der Krise ist.

Enter: Können große Organisationen in Sachen Social Media noch etwas lernen von den spontanen Gruppen?

Hölderle: Klar, ich bin mir aber nicht sicher, ob das gewünscht ist. Die wichtigste Erkenntnis ist immer wieder, wie wichtig Gemeinschaft ist und wie sehr es hier um den Zusammenhalt der Menschen vor Ort geht. Organisationen müssen die Möglichkeit geben, selber mitzumachen, selber zu helfen und nicht nur als Zaungast dabei zu stehen. Es kann aber sein, dass dies nicht immer der effektivste Weg zu helfen ist.Eine zweite Erkenntnis ist die Stärke des lokalen Zusammenhaltes. Das lässt sich so nicht von Organisationen nachbilden. Aber Organisationen könnten hierfür eine Infrastruktur bereitstellen, lokale Initiativen fördern und mit ihnen zusammenarbeiten. Die Plattform ushahidi.com hat beispielsweise nach dem Erdbeben in Haiti gezeigt, wie fruchtbar eine solche Kooperation sein kann.

https://pluragraph.de/categories/katastrophenschutz

Jona Hölderle klein

Foto: Jona Hölderle

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