Dringend gesucht: ein neuer Katastrophenschutz

13. April 2013

Der Politikwissenschaftler und Publizist Dr. Serge Embacher ist für das Projekt INKA tätig, das Möglichkeiten der Integration von freiwilligen Helfern in Krisenmanagement und Katastrophenschutz untersucht. Er erklärt, warum Social Media noch lange nicht Chefsache ist und wie ein Katastrophenschutz aussehen kann, der Bürger-Engagement einbezieht.

Enter: Was halten Sie von den Hochwasserinitiativen auf Facebook? Ist das eine sinnvolle Mobilisierung von Helfern oder eine Parallelstruktur, die den professionellen Helfern das Leben schwer macht?

Embacher: Grundsätzlich halte ich alles für sinnvoll, was den Opfern der Flutkatastrophe hilft. Und wenn die Hilfe sich durch den Einsatz von Social Media potenziert – umso besser! Früher ist doch kaum jemand auf die Idee gekommen, zum Telefonbuch zu greifen, die Nummer des THW oder DRK herauszusuchen und sich mit der zuständigen Person verbinden zu lassen, um seine Hilfe anzubieten. Social Media können die „Hemmschwellen“ für bürgerschaftliches Engagement senken helfen, das zeigt der Fall eindeutig. Die Koordination des Engagements ist dann die nächste Frage.

Enter: Haben die Großorganisationen den Bereich Social Media nicht ausreichend bespielt?

Embacher: Großorganisationen des Dritten Sektors können lernen, dass man heute ohne eine professionell entwickelte Social-Media-Strategie nicht mehr auskommt. Wer die in großem Maße vorhandene Engagementbereitschaft außerhalb der klassischen Strukturen „abholen“ will, der kommt nicht um eine strategische Herangehensweise an neue Kommunikationsformen herum. Hier gibt es zahlreiche Ansätze, aber vieles liegt noch im Argen. Solange das Thema Social Media nicht „Chefsache“ wird, wird es hier keinen Einstellungswechsel geben.

Enter: Wie könnte ein Zusammenspiel zwischen den professionellen Einsatzkräften und spontanen freiwilligen Helfern idealerweise aussehen?

Embacher: Das ist eine spannende Frage, die wir beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement derzeit in einem Verbundprojekt mit dem DRK und anderen Organisationen bearbeiten. Generell muss man unterscheiden zwischen langjährig engagierten Freiwilligen und den im Katastrophenfall immer „auftauchenden“ Ad-hoc-Helfenden. Während Erstere darin geschult sind, mit hauptamtlichen Rettungskräften zu kooperieren (z. B. bei der Feuerwehr oder dem THW), können Letztere nicht überall eingesetzt werden und bedürfen besonderer Führung, damit der gut gemeinte Einsatzwille am Ende nicht zur zusätzlichen Last für die Krisen- und Einsatzstäbe wird. Um dieses Zusammenspiel in Zukunft besser zu gestalten, muss man die Funktion von Infrastruktureinrichtungen für bürgerschaftliches Engagement, also Freiwilligenagenturen, kommunale Anlaufstellen, Nachbarschaftsheime, Senioren- und Selbsthilfevereinigungen usw. viel stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Wir haben dafür zunächst den Begriff „gemeinwesenorientierter Katastrophenschutz“ reserviert. Statt also das Rad neu zu erfinden, bietet es sich an, die bewährten Strukturen auf den Katastrophenfall zu übertragen.

Dr. Serge Embacher

Foto: Körber-Stiftung / David Ausserhofer

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