Grosses Kino – Oliver Adrion

17. Februar 2011

Benjamin Adrion ist Gründer und treibende Kraft von Viva con Agua, dem offiziellen Quellwasser-Lieferant der Berlinale. Der Clou: Was in Foyers und auf Pressekonferenzen Durst löscht, finanziert in armen Länder Wasserprojekte. Im Interview verrät der Sozialunternehmer, warum er kein Volvic trinkt, nicht Maserati fährt und wie man als Wasserproduzent CO2-bewusst handelt.

Im unterirdischen Versorgungssystem des Potsdamer Platzes gibt Benjamin Adrion letzte Anweisungen. In dem zugigen Betongewölbe stapeln sich palettenweise Wasserflaschen mit dem blauen Label „Viva con Agua“. Rund 86.000 Flaschen des Quellwassers liefert Adrions Initiative während der Filmfestspiele und verteilt sie auf roten Teppichen und auf den vielen Film-Partys. Gleich muss der Geschäftsführer weiter:  ein Termin mit potenziellen Kunden, dann noch die Werner-Herzog-Premiere und natürlich das Abendprogramm.

Benjamin Adrion war früher Fußball-Profi bei St. Pauli. Während eines Trainingslagers auf Kuba kam ihm die Idee, einen Verein zu gründen, der sich für bessere Wasserversorgung einsetzt. Mit dem Geld, das er und seine Mitstreiter zum Beispiel auf Musikfestivals sammeln, finanziert „Viva con Agua“ Wasserprojekte der Welthungerhilfe. 500.000 Euro kamen auf diese Weise bislang zusammen. 55.000 Menschen haben durch die Spenden nun Zugang zu sauberem Wasser. Im Mai 2010 ging Viva con Agua mit einem eigenen Quellwasser-Label an den Start, unter dem Dach einer GmbH, deren Mitgeschäftsführer Adrion ist. Seit Ende 2010 komplettiert eine Stiftung das Viva-con-Agua-Netzwerk. Stifter sind eine Reihe von Prominenten: Mark Tavassol (Wir sind Helden), Bela B. (Die Ärzte) sowie Marcel Eger (FC Sankt Pauli) und Renate Eger (Unternehmerin). Die Stiftung hält 40 Prozent an der GmbH und verfügt über die Markenrechte, der gemeinnützige Verein hält 20 Prozent. Die restlichen Anteile gehören befreundeten Investoren wie Frank Otto, dem FC St. Pauli und dem Husumer Mineralbrunnen, der das Wasser abfüllt. 60 Prozent der Gewinne aus dem Wasserverkauf gehen an den Verein und die Stiftung und damit direkt in nachhaltige Wasserprojekte. Der Rest wird reinvestiert.  „All-ProfitModell“ nennt das Benjamin Adrion – eine Lösung, bei der alle Stakeholder zu den Gewinnern zählen. Das Ganze versteht sich als ein großes Netzwerk, das konsequent Synergien nutzt. Das Quellwasser-Unternehmen mit derzeit sechs Mitarbeitern läuft dabei nicht Gefahr, dem Verein das Wasser abzugraben. Er wächst stetig, zählt heute über 3.000 Unterstützer. Ein spanischer Ableger wird sich im kommenden März offiziell gründen.

Wir trafen Benjamin Adrion vor dem Berlinale-Palast am Potsdamer Platz. Für das Berlinale Blog behindthescreens von Viva con Agua ist er als Reporter auf Premieren und Partys unterwegs.

Herr Adrion, wie haben Sie es geschafft, ‚official supplier‘ der Berlinale zu werden? Geld? Beziehungen?

Gott sei Dank kein Geld! Nein, Viva con Agua und die Berlinale passen einfach gut zusammen. Der Berlinale war das Thema Nachhaltigkeit wichtig, und da kamen wir gerade richtig. Eine Mitarbeiterin von uns hatte einen persönlichen Kontakt zur entscheidenden Agentur, die für die Berlinale arbeitet. Wir haben uns dann zusammenges

etzt und überlegt, wie eine Kooperation aussehen könnte. Diese basiert nicht auf einem Sponsoring-Deal, das heißt wir mussten nichts zahlen, hatten aber Ausgaben für Logistik und die Leute. Die Flaschen hat der Abfüller zur Verfügung gestellt. Wir sind froh über diese Lösung, weil wir keine großes Budget für Marketing oder Sponsoring haben. Der Blog, unser Hauptkommunikationskanal auf der Berlinale, kostet nichts. Dieser sparsame Umgang mit Geld gehört zu unserem Social-Business-Ansatz.

 

Wer hatte die Idee, mit den Verkauf von abgefülltem Wasser in Deutschland Trinkwasserprojekte in Entwicklungsländern zu unterstützten?

Es war ein ziemlich langer Prozess, bis schließlich das Businessmodell stand – mit dem Verein als Zentrum unserer Aktivitäten, der Stiftung, die für Kontinuität sorgen soll und sc

hließlich der Quellwasser GmbH als unternehmerischem Arm. Wir wollten schon lange selbst Wasser auf den Markt bringen und haben überlegt, wie wir das angehen können, ohne die Gemeinnützigkeit des Vereins zu gefährden. Es hat gedauert, bis wir da die richtige Konstruktion entwickeln konnten.

Ist Ihnen Volvic zuvorgekommen – mit der Kampagne „1 Liter trinken, 10 Liter spenden“?

Der große Unterschied ist, dass Volvic dieses Versprechen als Marketingtool einsetzt – man will den Umsatz steigern. Mich würde mal interessieren, wie erfolgreich die Kampagne war, und welche Summe tatsächlich gespendet wurde. Pro Flasche dürfte der Betrag verschwindend gering sein. Bei uns ist es umgekehrt: Die Quellwasser GmbH ist ein unternehmerischer Ableger des Vereins – die soziale Idee steht im Mittelpunkt aller Aktivitäten.

 

Das Social-Business-Modell soll etwa 2012 anlaufen. Dann gehen 60 Prozent der Gewinne an die Viva con Agua Stiftung und den Verein. Das heißt, im Moment fließt noch kein Geld?

Es ist richtig, dass die tatsächliche Gewinnausschüttung erst mit dem break even kommt. Der liegt etwa bei 5 Millionen Flaschen im Jahr. Wir haben aber gesagt, dass wir nicht bis 2012 oder 2013 warten wollen und schon vorher an Verein und Stiftung spenden wollen.

 

Wie gut lassen sich die Aktivitäten eines gemeinnützigen Vereins und die Geschäfte einer letztlich kommerziellen GmbH trennen?

Die Schlüsselfrage ist eher, wie sich das gemeinsame Anliegen, die Synergien nutzen lassen. Die Leute müssen immer merken, welche Idee hinter allen unseren Aktivitäten steht. Wir sind jetzt ständig dabei zu gucken, wie kann das Ganze profitieren. Der Verein soll ja nicht der Marketingarm der Quellwasser GmbH werden. Dennoch pusht der Verein das Wasser, weil das Unternehmen ja wiederum den Verein unterstützt. Wir justieren uns da gerade und sind dabei, immer neue Synergien zu sehen und zu schaffen.

Arbeiten auf der Berlinale Ehrenamtliche für Sie oder werden sie bezahlt?


Das sind Leute aus unseren „Zellen“, also ehrenamtlich Engagierte aus ganz Deutschland – die für den Einsatz hier auf der Berlinale aber Geld bekommen. Die Vorgabe ist: Was sich klar dem Unternehmen zuordnen lässt, wir auch bezahlt. Das ist wieder unser All-Profit-Gedanke: Unsere Supporter bekommen einen Semesterjob, und wir haben qualifizierte Leute vor Ort, die genau Bescheid wissen.

Wie gelingt es, dass sich das „Business“ nicht gegenüber dem Verein und den vielen Engagierten verselbstständigt?

Mit dem Verein haben wir unsere eigene Kontrollinstanz. Da sitzen jede Menge kritischer Leute, und der Verein ist Gesellschafter der GmbH und hat wie die Stiftung formelles Mitspracherecht. Auf unserer Website haben wir „Leitplanken“ veröffentlicht, das sind unsere Unternehmensgrundsätze. Die wurden nicht von der Firma, sondern von einem Arbeitskreis des Vereins formuliert. Auch die ganze Außenkommunikation der GmbH entsteht aus dem Verein.

Maseratis wird es also für die Geschäftsführung, der Sie ja auch angehören, nicht geben?

Das wäre dann der legitime Tod der GmbH. In Verein und Stiftung jedenfalls gehen 96 Prozent der eingehenden Gelder an die Projekte der Welthungerhilfe. Für Maseratis ist da wenig Spielraum…

 

Nun haben deutsche Haushalte auch einen so schlechten CO2-Fußabdruck, weil sie gerne abgefülltes Wasser kaufen, das durchs Land gefahren wird, Verpackungen braucht. Tappt Viva con Agua auch in die CO2-Falle?

Wir haben uns ja zu Anfang gefragt: Können wir das überhaupt machen – abgefülltes Wasser verkaufen? Es gibt einen großen Wassermarkt in Deutschland, und von diesem wollen wir einen Teil anders, positiver und nachhaltiger gestalten. Außerdem haben wir mit dem Schritt, die GmbH zu gründen, noch etwas anderes gezeigt: Dass die diese Berührungsängste von sozialem Engagement und unternehmerischer Tätigkeit hierzulande unbegründet sind. Auf den ersten Etiketten unserer Wasserflaschen hatten wir den Hinweis: Wenn die Flasche leer ist, füllen Sie sie auf mit Leitungswasser. Da ist dann aber unser Abfüller auf die Barrikaden gegangen, der ja Flaschen verkaufen und Arbeitsplätze erhalten muss. Es gibt aber auch Viva-con-Agua-Karaffen – zum Wiederauffüllen, und bald wird es auch eine Leitungswasser-Kampagne vom Verein geben. Dann steht auch ganz explizit auf der Website: Leute, das aller Nachhaltigste ist Leitungswasser!

 

Kommen Viva-con-Agua-Kunden auch aus der grünen Feel-good-Lifestyle-Bionade-Ecke?

Wenn jemand aus sozialer Motivation heraus das Wasser kauft und sich dazu noch cool fühlt, weil er auf unserem Blog gesehen hat, dass Joko von MTV das auch trinkt – wunderbar! Noch besser ist es natürlich, wenn wir es schaffen, dass man sich mit der Flasche in der Hand gut fühlt, weil man sich als Teil eines Netzwerks versteht, als Mitstreiter. Es ist aber auch prima, wenn Leute mit dem Kauf des Wassers etwas Gutes tun und es gar nicht merken. Etwas Soziales einschleusen und sozialen Mehrwert schaffen, wo er sonst nie entstanden wäre, das ist schon ziemlich großartig.

 

Benjamin Adrion war bis 2007 Fußballprofi, zuletzt beim FC St. Pauli. Inzwischen engagiert er sich für seine 2006 gegründeten Trinkwasser-Initiative Viva con Agua. 2009 bekam er dafür das Bundesverdienstkreuz am Bande. Das Social Business unterstützt über den Verkauf von Quellwasser Trinkwasserprojekte der Welthungerhilfe in Entwicklungsländern.

 

Henrik Flor

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