ArbeiterKind.de – Wachsen mit Filialen

24. Oktober 2012

Wenn man heute über erfolgreiche Non-Profit-Organisationen spricht, fällt zwangsläufig irgendwann der Name Katja Urbatsch. In einem Land, dem mit jedem Bildungsbericht aufs Neue attestiert wird, ein besonders undurchlässiges Bildungssystem zu haben, macht sie sich für Schüler und Studierende aus Nichtakademiker-Familien stark. Ihre Organisation ArbeiterKind.de berät Jugendliche und junge Erwachsene, die als Erste in ihrer Familie studieren, und begleitet Bildungsaufsteiger im Rahmen eines Mentorensystems. Was vor vier Jahren als lokale Initiative startete, ist heute eine schlagkräftige Organisation mit vier hauptamtlichen Kräften und 5.000 Freiwilligen, die sich in 70 regionalen Gruppen organisiert haben.

Die Verbreitung läuft inzwischen fast von selbst. Regelmäßig melden sich Studierende bei ArbeiterKind.de, die Interesse haben, eine Ortsgruppe zu gründen – meist aus eigener Betroffenheit. Erste Gespräche finden mit der Zentrale in Berlin statt, man überlegt gemeinsam, wie die Gründung vorangetrieben werden kann. Weitere Schritte sind dann das Aufsetzen einer Gruppe im eigenen sozialen Netzwerk. Hier können sich die Freiwilligen man sich intern vernetzen, aber auch für die Außendarstellung eine konfektionierbare Website mit Inhalten füllen. In der ganz realen Welt ist oft ein informeller Stammtisch der Grundstein für eine neue Ortsgruppe. Die Aktivität, die damit demonstriert wird, reicht zunächst, um die Aufnahme ins Netzwerk zu finden.

Die Arbeitsteilung der Organisation erklärt Katja Urbatsch so: „Wir wollen die Gruppen insbesondere von dem bürokratischen Aufwand befreien. Wir wünschen uns von den Engagierten, dass sie aktiv für die Sache arbeiten und sich nicht mit Fundraising oder Vereinssatzungen auseinandersetzen müssen. Schließlich müssen sie ja ‚nebenbei‘ auch noch studieren oder arbeiten.“ Rechtlich gesprochen bleiben die lokalen Gruppen unselbstständig und schlüpfen unter das Dach der gemeinnützigen UG, als die ArbeiterKind.de firmiert.
Für die Zentrale in Berlin bedeutet das, dass sie sich größtenteils um Fundraising und Förderungen kümmern muss. Das Filialsystem funktioniert auch deshalb so gut, weil die lokalen Gruppen fast keine Kosten verursachen. Kosten fallen vor allem in der Zentrale an: für Werbematerialien, hauptamtliche Mitarbeiter.

Urbatschs System will Qualitätssicherung nicht durch eine hohe Einstiegshürde erreichen, sondern durch eine intensive Betreuung der Gruppen. Rund 40 Trainings im Jahr bietet ArbeiterKind.de an. Das sind Basistrainings für jeden, der sich bei ArbeiterKind.de engagieren will. Bei Konflikten oder bestimmten Problemen organisiert die Zentrale Moderationstage, die von professionellen Trainern durchgeführt werden.
Beratung findet aber auch zwischen den Gruppen statt. Die Hamburger Ortsgruppe etwa unterstützt aktiv die Gründung der Lübecker Sektion. Das geht direkt oder über die Online-Community. In einigen Bundesländern, wie in NRW, gibt es Regionalkoordinatoren, die bestehenden und neuen Gruppen helfen.

Katja Urbatsch bringt es auf den Punkt: „Die Verbreitung findet organisch statt. Es gibt keinen Masterplan. Wir aktivieren nur punktuell Gruppen und kümmern uns derzeit vor allem darum, die jetzigen Gruppen zu unterstützen und stabil zu halten.“
Katja Urbatsch war anfangs mit dem Anspruch angetreten: Wenn sie die Biografie nur eines Menschen positiv verändere, habe sich ihr Einsatz gelohnt. Bei vielen Tausend Schülern und Studierenden, die informiert, beraten und gecoacht wurden, kann nicht nur Katja Urbatsch, sondern können auch die vielen Freiwilligen höchst zufrieden mit sich sein.

www.arbeiterkind.de

Filialen

Das Filialsystem ist aus der Wirtschaft bekannt. Eine Zentrale eröffnet Standorte und steuert diese. Die Unabhängigkeit der Filialen ist sehr begrenzt, es existiert keine rechtliche Selbstständigkeit und die Ausgangsorganisation hat einen großen Gestaltungsraum. Die Standorte werden von organisatorischen Aufgaben entlastet, die Zentrale muss umso mehr Ressourcen in die übergreifende Steuerung und Betreuung vor Ort investieren. Das Filialsystem gilt deshalb als eher langsamer Verbreitungsweg.

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