Editorial – zwangsvernetzt

17. März 2013
Alles geregelt in Deutschland: Dafür sind wir bekannt in der Welt – wie die Schweiz für teure Uhren, England für schlechtes Wetter und Italien für bizarre Politiker. Alles geregelt in Deutschland: Das hat uns nach vorne gebracht. Wertarbeit und Zuverlässigkeit sind nun mal im Wildwuchs nicht zu haben. Alles geregelt in Deutschland: Damit auch beim Bürgerengagement alles schön in Reih’ und Glied bleibt und Querdenker nicht zu quer denken, haben wir Service- und Koordinierungsstellen erfunden.
Die werden in der Regel vom Bund finanziert, sitzen überwiegend in Berlin, drucken schicke Flyer und sind bei den Organisationen, die sie vertreten sollen, völlig unbekannt. Das sind die Gemeinsamkeiten. Meine Lieblingsorganisation dieser Art ist übrigens die mit sechs Stellen besetzte Koordinationsstelle „Männer in Kitas“. Die Selbsthilfegruppen haben eine Servicestelle, die Bürgerstiftungen gleich zwei. Dass sie ausnahmslos aufopferungsvolle Arbeit leisten, steht außer Frage. Nach der Wirkung fragen wir lieber nicht.
Nehmen wir die „Aktion zusammen wachsen“ – ein vom Familienministerium geschaffenes Konstrukt, das dem Heer von Patenschafts- und Mentoringprojekten eine Heimat geben soll. Resultat des Millionengrabes: Auch nach Jahren ist der dringend notwendige Wissenstransfer in diesem Engagementbereich nicht spürbar vorangekommen.Vergessen wir die Zwangsbeglückung! Netzwerke sind nur brauchbar, wenn sie von unten wachsen. Wenn sie von jenen gewünscht und initiiert sind, die vor Ort die Arbeit leisten. Andernfalls sind sie nicht mehr als Arbeitsbeschaffung für Profis der Sozialbranche. Dann doch lieber ungeregelt

Uwe Amrhein ist Herausgeber von Enter.

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