"Es gelingt nur, was man liebt"

6. Oktober 2011

Manfred Kurz ist Spitzenkoch und Inhaber des Gasthofs „Zum Hirschen“ in Blaufelden. Zugleich ist er für den weltweit erfolgreichen Befestigungs-Spezialisten Würth mit seinen 65.000 Beschäftigten als führender Repräsentant in Berlin und Brüssel tätig. Im Enter-Interview gibt er Auskunft darüber, was Küche und Politik verbindet und erklärt, warum er allen Politikern einen dreiwöchigen Arbeitseinsatz auf dem Land verordnen würde.

Interview: Henrik Flor / Uwe Amrhein

Herr Kurz, was hat Politik in der Küche zu suchen? 

Gar nichts. Entpolitisierung scheint mir das Gebot der Stunde zu sein, weil Politik krisenverschärfend wirkt. Man stelle sich vor,  inmitten der Hektik des Service stellt sich ein Politiker in die Mitte der Küche, hält Ansprachen und sucht nach Mehrheiten und nach einem Kompromiss in der Nivellierung zum schwächsten Nenner hin. Das lässt eher durchgebratene Steaks, ungesalzenen Fisch und Himbeersorbet mit Knoblauch befürchten, denn ein delikates Menu.

 

 

 

Kann der Politiker etwas von einem erfahrenen Koch lernen? 

Ja. Begangene Fehler beim Kochen schlagen sofort zurück auf den Verursacher. Sie verweigern sich der Vergemeinschaftung und dem Fingerzeig auf die Schuld anderer. Das rät zu Leidenschaft, ohne die ein Koch nicht reüssiert, gepaart mit Augenmaß und Verantwortung. Mithin Eigenschaften, die gerade einem Politiker gut zu Gesicht stünden.

Sie selbst sind Sternekoch und führen den „Gasthof zum Hirschen“. Welche Rolle spielt die händische Arbeit, der unmittelbare Kontakt mit den Lebensmitteln, das Zerlegen, Säubern, Zerkleinern, Arrangieren? 

Kochen ist HANDwerk. Das Berühren von, und Werken mit LEBENSmitteln ist eine der schönsten Beschäftigungen, die man sich denken kann. Das lässt dankbar werden für die Produkte der Natur. Im Übrigen gilt wie im echten Leben auch: Es gelingt nur, was man liebt.

Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das Wort „Respekt“? 

Nicht der Koch ist der Star in der Küche, sondern das Produkt. Gute Köche unterwerfen sich dem und beschränken sich darauf, deren Semantik zur Deutlichkeit zu verhelfen und das Produkt nicht zu entfremden. So weit so gut. Respekt wird allerdings dann erst recht in höchstem Maße notwendig, wenn es um das Fleisch von Tieren geht, die wir ins Jenseits befördern, um sie anschließend aufzuessen. Höchste Sorgfalt, penible Verwertung und Achtung vor der Kreatur schlechthin, sind zwingend. Der Lohn daraus sind Genuss und Stärkung. Das schönste Lob, das eine französische Hausfrau, für etwa eine geglückte Lammkeule, einheimsen kann, ist: Das ist nicht umsonst gestorben.

In Ihrem Restaurant wird im besten Sinne regionale Küche serviert. Und Sie unterstützen seit langem Erzeuger aus dem Umland. Reine Heimatliebe, oder steckt mehr dahinter? 

Dahinter ist die Hinwendung zu meiner Heimat und auch mein kleines, privates Minikonjunkturprogramm für kleinbäuerliche Betriebe Hohenlohes zu sehen. Wir alle kennen die wöchentlichen Importzahlen von Lebensmitteln aus den meist romanischen EU-Ländern. Dabei geht es nicht nur um Orangen, Zitronen oder exotische Lebensmittel, deren Erzeugung ein ganz besonderes Klima zur Voraussetzung haben. Konkurrenzfähig gutes Rindfleisch, Lämmer, Geflügel, Käse oder Gemüse können ebenso in Hohenlohe produziert werden. Wie bei allem kommt es darauf an, wer dahinter steht. Das Beste wollen ist der Schlüssel zu wirtschaftlicher Prosperität. Darin liegt sicherlich keine Generallösung für die politisch mitverursachte Agrarkrise, aber ein Ausweg aus der Subventionsfalle für den einen oder anderen Hof allemal. Hoch stehende, und nur schwer kopierbare Qualitäten, regional vermarktet, realisieren dauerhaft hohe Erlöse.

Man kann sich selbst verordnen, saisonal, regional und bio zu essen – weil es weniger CO2 produziert, keine Ressourcen verschwendet werden und andere rationale Gründe dafür sprechen. Was wäre die bacchantische Argumentation? 

Bordeaux hat noch keinem geschadet. Weil darin Terroir liegt, der Boden, auf dem wir stehen, von dessen Früchten wir uns nähren und der uns nicht wirklich aus seiner Bindung entlässt. Je steiniger der Grund, desto tiefer die Wurzeln, je tiefer die Wurzeln desto fester der Grund. In einem übertragenen Sinn gilt für die Menschen das Gleiche wie für Bordeaux. Political correctness wird dann überflüssig. Wissen ist Voraussetzung für Genuss. Das eine hat das andere zur Bedingung.

Macht gutes Essen auch gute Menschen? 

Ja. Mindestens lässt es die Menschen nicht schlechter werden.

Sie sind auch als Netzwerker an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft tätig – wie nützlich war Ihnen dabei der gastronomische Hintergrund? 

Allem die angemessene Aufmerksamkeit entgegen zu bringen, nicht aber alles so furchtbar wichtig zu nehmen, scheint mir der angemessene Ansatz für die Arbeit entlang der Politik zu sein. Das lernt man in der Küche. Dienen und bedienen, die gastronomischen Grundelemente, sind nützliche Helfer im politischen Selbstverständnis. Politik ist Service, ist Dienstleistung bei der Gestaltung des Ordnungsrahmens innerhalb dessen wir ein hoffentlich zivilisiertes und humanistisch bestimmtes Leben führen. Mehr nicht. Und schon gar nicht Selbstzweck.

Kann in der Blase, die sich politisches Berlin nennt, überhaupt vernünftige Politik gemacht werden, wenn der regionale, geerdete Bezug zum Essen fehlt? 

Nein. Ohne einer Kulturrevolution das Wort reden zu wollen, bin ich doch geneigt, jedem Politiker eine dreiwöchige Landarbeit pro Jahr zu verordnen. Das wirkt mäßigend, lässt bescheiden werden.

www.hirschen-blaufelden.de


 

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Ein Kommentar

  1. Ingrid Krebs
    Ingrid Krebs
    13. Oktober 2011 zu 15:55
    | Antworten

    Es gelingt nur, was man liebt! Sehr gut erkannt. Die Aussagen des Manfred Kurz decken sich mit meiner Einstellung zum Leben. Danke für den Beitrag. Gruß aus Horbach von Ingrid Krebs

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