Kolumne: Bürger statt Bachelor

1. September 2011

Die Schule hat begonnen, alle reden über Bildung. Enter widmet diese Ausgabe der Schule als Lernort für Demokratie, Mitbestimmung und Engagement. Herausgeber Uwe Amrhein sieht die Bildungspolitik auf falschem Kurs.

Die Bildungsplaner in den Kultusministerien haben nur eins im Kopf: in einem möglichst billigen und schnellen Durchlauferhitzer halbwegs tauglichen Nachwuchs für eine immer lauter klagende Wirtschaft zu liefern. Wer über die Folgen von Turbo-Abi und Bachelor-Studium sinniert, gruselt sich über Rechtschreibschwächen, die studierte Erwachsene wie mittelmäßig begabte Schimpansen aussehen lassen.

Das verstellt den Blick auf vermeintliche Nebeneffekte, die sich in Wahrheit zu einer gesellschaftlichen Krise auswachsen werden. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung ist die Zahl der freiwillig engagierten jungen Menschen zwischen 14 und 24 Jahren von 1999 bis 2009 um mehr als die Hälfte gesunken. Gleichzeitig aber sei die grundsätzliche Bereitschaft zum Engagement in dieser Altersgruppe sogar gestiegen. „Einfach keine Zeit bei der Hatz durch Schule und Studium“, gaben die Befragten zu Protokoll.

Übersetzt ins Politische: Vom Dorfbürgermeister bis zum Bundespräsidenten beschwört die politische Klasse das bürgerschaftliche Engagement in unangenehm schwülstiger Rhetorik als „Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält“. Sie verpulvert Millionen in Kampagnen für das Ehrenamt und erfindet mannigfaltige Freiwilligendienste, deren Unterschied kein Mensch versteht… und zugleich leisten wir uns ein Bildungssystem, das motivierten Jugendlichen ein freiwilliges Engagement verleidet, ja regelrecht abgewöhnt.

Was es für Gesellschaft und Sozialsysteme bedeutet, wenn mitten im demografischen Wandel eine Generation kein Bürgerengagement lernt, lässt sich leicht vorhersehen. Bildung muss junge Einwohner zu jungen Bürgern machen. Das Alarmierende: Wir sind davon nicht nur weit entfernt. Nicht einmal die Richtung stimmt.

Uns interessiert Ihre Meinung zum Thema. Diskutieren Sie mit! Wir freuen uns auf Ihren Debattenbeitrag!

Weiter Lesen:

Ein Kommentar

  1. Rolf
    Rolf
    6. September 2011 zu 19:56
    | Antworten

    Jugendliche interessieren sich weniger für Ehrenämter. Aber hat das nur mit dem Stress während des Turbo-Abiturs zu tun? Ich habe eher den Eindruck, dass Zeitfresser wie Internet und TV die Kapazitäten für sinnvolle Dinge begrenzen. Und was ist mit den Haupt- und Realschülern? Stehen die auch so stark unter Druck? Warum sind man bei ihnen nicht mehr Engagement-Bereitschaft?

Kommentar zu Rolf abgeben. Klicken Sie hier, um die Antwort zu löschen.