Mehr innovative Projekte aus Großbritannien

28. April 2011

Innovatives bürgeschaftliches Engagement hatte schon immer seine Heimat in Großbritannien. Wir stellen zehn Projekte vor, die uns besonders gut gefallen haben.

ELEKTRONISCHE SPENDENBÜCHSE

Kunden, die in bestimmten Geschäften mit Karte bezahlen, können beim Eingabegerät eine spezielle Charity-Taste drücken und den Betrag aufrunden. Das Ganze funktioniert als elektronische Spendenbox – in Supermärkten genau so wie in Drogerien oder Boutiquen. Die Penny-Beträge, die so zusammenkommen, summieren sich auf Hunderttausende Pfund im Jahr und werden für einen guten Zweck eingesetzt. The Pennies Foundation unterstützt die Implementierung bei den Händlern und sorgt dafür, dass die Erträge ausgewählten Hilfsprojekten zugute kommen. In Deutschland ist ein ähnliches Projekt in Planung: Deutschland rundet auf.

www.pennies.org.uk

FRAGESTUNDE

Was mache ich, wenn ich die Rechnungen nicht mehr bezahlen kann? Was tun, wenn eine nötige Operation nicht von der Krankenkasse übernommen wird? Wie wehre ich mich gegen eine Kündigung? Die Organisation Citizens Advice bietet Bürgern kostenlosen, unabhängigen und vertraulichen Expertenrat zu allen möglichen Fragen – in einem der 394 Büros in ganz England, am Telefon oder im Netz. Die Mitarbeiter sind auf Englisch, Walisisch, Bengalisch, Chinesisch, Gujarati, Punjabi und Urdu ansprechbar. Im Berichtszeitraum 2009/10 konnte Bürgern bei 7,1 Millionen Problemen geholfen werden. Und da sich Cititzens Advice auch als Interessenvertretung versteht, werden Themen, die Menschen besonders stark beschäftigen auf die politische Agenda gehoben.

www.citizensadvice.org.uk

 

„PRINZESSIN DER HERZEN“

Diana war nicht zuletzt deshalb so populär, weil sie sich auf der ganzen Welt für humanitäre Anliegen einsetzte – vom Verbot von Landminen bis hin zu Entwicklungshilfeprojekten. Der „Diana Princess of Wales Memorial Fund” hat sich zum Ziel gesetzt, ihre Arbeit fortzuführen. Hauptfokus: Palliativmedizin, Unterstützung von Flüchtlingen und Strafgefangenen sowie der Schutz vor Streubomben.

Die Gelder des Funds wurden direkt nach dem Tod von Lady Di 1997 gespendet, stammen aus Lizenzen des Elton-John-Songs „Candle in the Wind“ und kommen durch intelligentes Merchandising zusammen. Dabei sammelt der Memorial Fund nicht nur Gelder und reicht sie an Hilfsorganisationen weiter. Er arbeitet auch mit Stiftungen zusammen, schaltet sich in öffentliche Debatten ein und betreibt Lobbying für die gute Sache.

www.theworkcontinues.org

MAKE THE WORLD A BETTER PLACE

131 kleine Dinge, die jeder tun kann, damit die Welt ein Stück besser wird, findet man auf der Website von We are what we do. Zudem ist jeder aufgerufen, eigene Ideen online zu stellen. Andere Aktive lassen per Mausklick wissen, wie oft sie den Vorschlag umgesetzt haben.

Für den Einstieg hat Enter fünf Vorschläge ausgewählt:

  • Pflanze etwas und iss es!
  • Sing nicht unter der Dusche! (und spare Wasser)
  • Lobe jemanden bei der Arbeit!
  • Verbringe Zeit mit jemanden einer anderen Generation!
  • Tue etwas ohne Gegenleistung!

www.wearewhatwedo.org

ENGLISH BREAKFAST

28 Pfund kostet es, ein Schulkind ein Jahr lang mit einem Frühstück zu versorgen. Carmel McConnells Projekt „Magic Breakfast“ beliefert täglich 3.000 Schüler in sozialen Brennpunkten mit Mahlzeiten. Typisch für englische Charities: Besucher der Website werden nicht nur zum Geldspenden aufgefordert. Man soll selbst Schulen vorschlagen, die Frühstücksrationen brauchen, an seinen Abgeordneten schreiben oder als Freiwilliger ganz praktisch das Projekt unterstützten.

www.magicbreakfast.com

DIE PROFIS

Michael Young war bis zu seinem Tod 2002 die vielleicht interessanteste und rastlosteste Figur der britischen Engagement-Landschaft. Der Soziologe, Autor, Unternehmer und begnadete Strippenzieher gründete mehr als ein Dutzend Gemeinwohl-Organisationen und Sozialunternehmen. Geoff Mulgan nimmt mit seiner Stiftung den Gedanken auf, Forschung und konkrete Projektarbeit zu verbinden. In der Young Foundation arbeiten heute 60 Leute, die neue Organisationen aus der Taufe heben, Lobbyarbeit für die gute Sache betreiben, forschen und dabei auf kreative Weise neue Technologien nutzen.

www.youngfoundation.org

MEN AT WORK

Es gibt Menschen, denen niemand mehr eine Chance gibt – die schon zu lange nicht mehr in Arbeit waren und als hoffnungslose Fälle abgestempelt sind. Und es gibt Menschen, die sich genau um diese Leute kümmern, ihr Potenzial entdecken und sie auf das richtige Gleis setzen. So wie Abi Levitt und Sam Sheerer von Tomorrow’s People. Seit 1984 haben sie mit ihrem schlagkräftigen Team mehr als

440.000 Langarbeitslose erreicht und geholfen, sie wieder in Arbeit zu bringen – und ihnen eine Lebensperspektive zu geben.

www.tomorrows-people.org.uk

RECORD STORE DAY

“Als Botschafter des Record Store Day 2011 habe ich die Macht, jeden von euch in die Plattenläden zu beordern. Also, seid dabei!“ Ozzy Osbourne

Auch im Geburtsland von Rock, Pop und einem Dutzend anderer Musikstile schließen immer mehr unabhängige Plattenläden. Der Record Store Day setzt ein Zeichen gegen das Sterben der kleinen Musikläden. An diesem Tag spielen Bands live in den Shops, Kunden werden mobilisiert, Läden gerettet.

Enter sprach mit Steve Redmond, Record Store Day:

Wer hatte die Idee zum Record Store Day (RSD)?

Die Idee kam ursprünglich aus den USA. In Großbritannien wurde der Record Store Tag von Spencer Hickman , dem Manager von Rough Trade East in der Londoner Brick Lane, groß gemacht. Es war sein Netzwerk in der Musikbranche, die dem Tag Leben eingehaucht hat.

Welche Idee steckt hinter dem RSD?

Es geht darum, Leute in die lokalen unabhängigen Plattenläden zu kriegen. Das machen wir zum einen mithilfe exklusiver Record Releases, also neu herausgekommene Scheiben, die nur in den Läden zu kaufen sind, die am RSD teilnehmen. Zum anderen sorgen die Läden selbst für Gigs verschiedener Bands. An diesem Tag bekommen die Läden nicht nur von Kunden, sondern auch von der Presse eine Menge Aufmerksamkeit. Dahinter steht ein anderes Verständnis von Musik – wir wollen der anonymen Welt der Musik-Downloads etwas entgegensetzen

Wie viele Läden waren am RSD dabei?

Etwa 180 Läden haben in diesem Jahr teilgenommen, das sind zirka 30 mehr als letztes Jahr. 200 Bands sind aufgetreten.

Wie war das Feedback?

Wir sind gerade noch dabei, Rückmeldungen einzuholen. Normalerweise aber sind die Umsätze in den Läden fünf Mal höher als an einem normalen Samstag.

www.recordstoreday.co.uk

FRIENDLY BOMBS

„Friendly Bombs“ stellt mit behinderten Schauspielern ganze Theaterproduktionen auf die Beine – vorzugsweise Shakespeare-Stücke. Das Ganze ist kein wöchentliches Theatertreffen zum Wohlfühlen, sondern versteht sich als hartes, professionelles Training.

Enter sprach mit Richard Hodges von Friendly Bombs:

Wer steht hinter den Friendly Bombs?

Friendly Bombs war eine Idee von Ted Dutton und mir. Wir beide hatten vorher schon Drama Workshops für behinderte Erwachsene angeboten.

Woher kam die Idee?

Das Projekt entstand aus unserer Erfahrung, die wir schon im Bereich Behindertenarbeit hatten. Uns ging es darum, Fähigkeiten bei behinderten Menschen zu entdecken, diese zu fördern, ihr Selbstvertrauen zu stärken und zu vermitteln, was Teamarbeit ist. Wir haben auch Methoden entwickelt, wie klassische Texte von behinderten Schauspielern auf die Bühne gebracht werden können. Ted Dutton und ich hatten uns entschieden, unsere eigenes Ensemble zu gründen und die Arbeit mit unseren Schauspielern weiterzuentwickeln.

Woher kommt der Name Friendly Bombs?

Friendly Bombs – leitet sich ab von einem Gedicht von John Betjeman über die Stadt Slough in Berkshire, in der unsere Theatergruppe arbeitet.Darin geht es um „freundliche Bomben“, die auf diese Stadt fallen sollen.

Wie ist das Projekt aktuell aufgestellt?

Derzeit haben wir 25 Schauspieler, die von acht Mitarbeitern unterstützt werden. Diese Teammitglieder sind noch in anderen städtischen Projekten engagiert und arbeiten insgesamt mit mehreren Hundert Schauspielern zusammen.

Der Erfolg des Projekts?

Mit Friendly Bombs bringen wir klassisches Theater zu Leuten, die sonst gar keinen Zugang zu ihm hätten. Das funktioniert so, dass wir die Originalversionen von Theaterstücken einkürzen und interaktiver gestalten. Zugänge verschaffen wir aber auch dadurch, dass wir dorthin gehen, wo behinderte Menschen leben und die Aufführung an eher ungewöhnlichen Orten stattfinden lassen wie Essenssälen, Kirchen oder Parks.

www.friendlybombs.co.uk

GANGS OF LONDON

Alec Davison, der Vater des Anti-Gewalt-Projekts Leap, wollte nicht länger tatenlos zusehen, wie die Jugendgewalt auf der Insel immer weiter um sich greift. Das Leap-Team arbeitet direkt mit kriminellen Jugendlichen, schult aber vor allem Trainer und Mediatoren in ganz England. Die Erfolgsquote der Anti-Gewalt-Trainings ist beeindruckend. Die Organisatoren hoffen auf einen Schneeballeffekt: Die gecoachten Jugendlichen gehen zurück in ihre Communities, verhalten sich anders und werden zu neuen Vorbildern. Jedes Jahr werden 8.500 Jugendliche, 1.600 Erwachsene und 200 Institutionen von Leap geschult. Ein berührender Film über die Arbeit von Leap Confronting Conflict ist auf der Website eingebunden.

www.leapconfrontingconflict.org.uk

PROJEKT-BAUKASTEN

“Everything you need to know to run a non-profit” – das verspricht das Projekt KnowHow NonProfit. Was die Website an Grundlagenwissen, Tipps & Tricks für Anfänger und Fortgeschrittene zu bieten hat, ist in der Tat beeindruckend. Von den Basics bis zu den Bereichen „Team“, „Organisation“, „Kampagnen“, „Fundraising“ und „Führung“ reichen die Themen, die für jeden verständlich das 1 x 1 für Gemeinwohlorganisationen zusammenfassen. Das Ganze kann jeder auch käuflich erwerben: als „Training Pack“ mit Audio-Lektionen und Online-Tutorials.

www.knowhownonprofit.org

TIDY STREET PROJECT

Wie gelingt es, den Energieverbrauch in privaten Haushalten zu reduzieren? Das Team vom Pervasive Interaction Lab der Open University hat sich eine Straße in Brighton genommen und experimentiert hier im öffentlichen Raum, wie man Bewusstsein für Ressourcenschonung schafft. Die richtige Form des Feedbacks ist hierfür der Schlüssel. Welchen Effekt hat es beispielsweise, wenn man den Stromverbrauch direkt an jedem Haus anzeigen lässt? Die Projektmacher lassen dazu den Tagesverbrauch von den Anwohnern auf einer Website eintragen und malen den aktuellen Wert direkt auf den Straßenasphalt. Vergleichswerte aus anderen Regionen sollen zum Nachdenken über den eigenen Verbrauch anregen. Das ist Aufklärung, Street Art und wissenschaftliches Projekt in einem!

www.tidystreet.org

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Ein Kommentar

  1. Jo
    Jo
    7. Oktober 2011 zu 23:13
    | Antworten

    Zur "Deutschland rundet auf" gibt es inzwischen konkretere Informationen. Im Herbst startet eine Werbekampagne und im März 2012 geht es dann los.

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