Interview: Constanze Kurz

25. Februar 2011

Ende Januar entschied die Regierungskoalition, dass es in der Internet-Enquete keine substanzielle Bürgerbeteiligung geben soll (Enter berichtete). Die Einführung der Software Adhocracy wurde als zu teuer abgelehnt. Dass dieses Argument nur vorgeschoben war, will nun der Chaos Computer Club (CCC) zeigen. Er bietet an, die komplette Implementierung der Beteiligungssoftware kostenlos zu übernehmen. Einen Tag später erklärten sich die Sachverständige der Internet-Enquete bereit, innerhalb von zwei Tagen ebenfalls kostenfrei Adhocracy aufzusetzen. Die Enquete einigte sich nun auf einen Kompromiss: 1. Man will weiterhin Adhocracy. 2. Soll eine Arbeitsgruppe die konkrete Umsetzung organisieren. Enter sprach über die neuesten Entwicklungen mit Constanze Kurz, Sprecherin des CCC und Sachverständige der Internet-Enquete.

Eigentlich hatte sich die Enquete längst auf das Beteiligungstool Adhocracy geeinigt. Wo hakt es?

Man muss hier konkret Ross und Reiter nennen: In dem entscheidenden Gremium des Ältestenrates des Bundestages waren es die Mitglieder der Regierungskoalition, die eine wirkliche Beteiligung von Bürgern nicht wollten. Mich ärgert, dass immer gerne nach Bürgerbeteiligung gerufen, aber in der Praxis nur gemauert wird.

 

Eine Arbeitsgruppe soll nun die Implementierung von Adhocracy organisieren – als Beteiligungsplattform außerhalb der Enquete. Kann eine solche Lösung funktionieren?

Die Bildung der Arbeitsgruppe ist einfach eine weitere Verzögerung. Es gibt seit langem ein Beteiligungskonzept, wir wiederholen jetzt Schritte, die schon gemacht wurden. Die Enquete hat sich über alle Fraktionen hinweg mehrfach für Adhocracy ausgesprochen. Es gibt von der Regierungskoalition immer wieder Lippenbekenntnisse, in der Praxis wird aber verzögert und blockiert.

 

Kommt jetzt eine zügige Umsetzung oder rechnen Sie mit weiteren Winkelzügen?

Ich rechne sehr wohl mit weiteren Verzögerungen. Schon allein weil Axel Fischer Vorsitzender der Enquete ist. Die Art und Weise, wie er dieses Gremium leitet, ist eine Zumutung. Am Montag kam er fast ein halbe Stunde zu spät, niemand war informiert. Kurz nach Ende der Sitzung erschien dann eine vorbereitete Stellungnahme von ihm auf dem Blog der Enquete, in der er seine rechtlichen Bedenken gegenüber der Einführung von Adhocracy formulierte. Direkt wurde uns das nicht kommuniziert.

 

Ist der Vorsitzende der Enquete, Axel Fischer von der CDU, der richtige Mann für den Posten?

Aus meiner Sicht nicht! Er füllt dieses Amt höchst parteiisch aus. Dass seine Art und Weise nicht den Gepflogenheiten entsprechen, hat sogar die am Montag anwesende Vizepräsidentin des Bundestages bestätigt. Mit seinem Zuspätkommen hat er die Kommission blamiert, und er war der einzige in der ganzen Enquete, der gegen den Kompromissvorschlag gestimmt hat. Das ganze Procedere am Montag war eine Farce.

 

Sollte die Einführung von Adhocracy mit weiteren taktischen Manövern gestoppt werden – bleiben Sie dann Sachverständige der Enquete?

Ich habe mich natürlich schon gefragt, unter welchen Bedingungen man in dieser Enquete noch weiterarbeiten kann. Andererseits ist mir von Anfang an klar gewesen, dass im Politikbetrieb etwas andere Regeln herrschen. Mir war vorher aber nicht bewusst, nach welcher Gutsherrenart der Vorsitzende sich hier aufführt. Gut, dass in den Projektgruppen vorgemacht wird, wie man konstruktiv zusammenarbeiten kann.

 

Henrik Flor
Foto: privat


                                                        

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Ein Kommentar

  1. Katarina Peranic
    Katarina Peranic
    25. Februar 2011 zu 11:52
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